„Die Mädchen waren genauso kernig wie wir Jungen“
Der Düsseldorfer Edelweißpirat Helmut „Sändi“ Sandvoss (1921-2006) im Gespräch
Wochenende für Wochenende fuhren sie mit ihren Rädern hinaus an ihre geheimen Treffpunkte, ins Anger-, Neander-, Agger- und Ahrtal, in die Eifel, das Siebengebirge und ins Bergische, dort auch immer wieder in die Loosenau (kleine Jugendherberge bei Dabringhausen, Red.) ins Dhünntal. Die Anziehungskraft und Beliebtheit dieser Orte ist auch unter den Nachkriegsbünden ungebrochen.
Man wollte und durfte nicht auffallen, ging der Staatsjugend aus dem Weg. Trotzdem kam es immer wieder zu ungeplanten Zusammenstößen mit oft üblen Folgen.
Anders verhielt es sich im Sommer 1939, als Sändi und seine Jungs bei einer Tour im Angertal zufällig auf eine Gruppe junger BDM-Führerinnen trafen. Die jungen Mädchen waren überraschenderweise recht angetan von den feschen, wild gewandeten Burschen, die so ganz anders auftraten als die HJler, und wünschten sich ein Wiedersehen. „Gut, aber nicht in eurer Uniform!“, war die Antwort. Und tatsächlich, beim nächsten Mal erschienen sie im geblümten Sommerkleid. „Ja, wir hatten auch sonst oft Mädchen dabei. Die waren genauso kernig wie wir Jungen. Und das hat uns imponiert. Und außerdem waren wir ja alle im entsprechenden Alter!“, erinnert sich Sändi mit einem Lächeln.
Ostern 1940, nach einer Radtour ins Ahrtal zum traditionellen Treffen der illegalen Bündischen, gerieten sie auf dem Rückweg in eine Großrazzia von Polizei, Streifendienst und Gestapo. Sämtliche Zufahrtsstraßen der rheinischen Großstädte waren gesperrt, „viele Hunderte gingen denen damals ins Netz“.
Sändis Gruppe wurde verladen und in den Klingelpütz gebracht, 30 Personen in einer Zelle, Enge, Angst, Atemnot. Noch in der Nacht wurde Sändi ins Gefängnis nach Brauweiler verlegt. Beim Filzen des Gepäcks wurde ein puukko, ein Finnendolch, gefunden – für die Gestapo ein Indiz für die Mitgliedschaft in der verbotenen dj.1.11. Die Jungen kannten eine solche Gruppe nicht einmal dem Namen nach und konnten dies glücklicherweise glaubhaft vermitteln. Nach zwei Tagen Verhör und Befragung nach Namen, Führern, Verbindungen wurden sie ermahnt und entlassen. In deren ahnungslosen Familien herrschte derweil helle Aufregung, sie waren nicht informiert worden.
Auszug aus: Doris Werheid, Jörg Seyffarth, Jan Krauthäuser: „Gefährliche Lieder. Lieder und Geschichten der unangepassten Jugend im Rheinland 1933-1945“. Herausgegeben vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln. Emons Verlag, Köln 2010, S. 136f.
Sändis Gruppe wurde verladen und in den Klingelpütz gebracht, 30 Personen in einer Zelle, Enge, Angst, Atemnot.