Raus aus dem Mainstream, rein in den Park
Interview mit Jan Krauthäuser, Mitbegründer des Kölner Edelweißpiratenfestivals

Wie entstand das Edelweißpiratenfestival in Köln?

Das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln hat mich angesprochen, ob ich zu einer geplanten Ausstellung nicht auch ein Musikprojekt durchführen könnte. Es hieß, nach einem bekannten Lied der Edelweißpiraten, „Es war in Shanghai“. Da haben wir dann all die Zeitzeugen und ihre Musikkultur kennen gelernt. Ich fand das sehr spannend und dachte mir: Da kann man mehr draus machen. Ich fand es auch angebracht, die Edelweißpiraten nicht immer nur in Gedenkveranstaltungen oder wissenschaftlichen Zusammenhängen zu sehen.

Bei eurem Festival interpretieren die Bands auch Lieder der Edelweißpiraten?

Ja, das ist im Grunde genommen eine der Bedingungen, um da aufzutreten. Wir wollen, dass jede Band eine Beziehung zu dem Thema hat. Also entweder müssen die aus einem ähnlichen Zusammenhang kommen oder auch so aufmüpfig, so weltoffen sein wie die Edelweißpiraten.

Sind das dann meistens regionale Bands?

Wir haben fast nur regionale Bands. Nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch weil es Teil des Konzepts ist: Dass die Kölner und die regionale Szene sich eben mit diesem Thema auseinandersetzt und dieser Jugendkultur von damals ein lebendiges Denkmal setzt. Aber bei jedem Festival hatten wir auch immer einen Gast, der von weiter her kam. Zum Beispiel Brother Resistance aus Trinidad. Der hat eine Agentur und Freunde in Köln, das passte natürlich perfekt.

Wie ist das Programm eures Festivals angelegt?

Hauptteil ist der Konzert-Parcours. Wir haben fünf Stationen, fünf Bühnen also, die oft gar keine Bühnen sind, sondern einfach schöne Winkel im Park. Der Friedenspark, wo wir das machen, bietet verschiedene Landschaften und Ecken, und wir haben uns die ausgesucht, wo man am besten eine Band hinstellen kann. Die Idee ist auch, mit wenig Technik auszukommen. Ein bisschen so, wie es die Edelweißpiraten auch gemacht haben. Sich einfach mit der Gitarre unter einen Baum setzen und singen. Das ist natürlich heutzutage ein bisschen komplexer. Es soll aber kein Event im üblichen Sinne sein, sondern ein möglichst nahes Fest.

Bei eurer Edelweißpiratentour 2007 habt ihr dann auch andere Städte im Umkreis angesprochen, ob die nicht auch mal ein Festival organisieren wollen. Wie seid ihr zum Beispiel aufs zakk gekommen?

Weil es so berühmt und berüchtigt ist. Wir wussten ja schon, dass das zakk inhaltlich wie musikalisch gute Sachen produziert. Die Idee ist ja auch sofort dankbar aufgegriffen worden. Wenn man sich die Geschichte der Edelweißpiraten anguckt, wird schnell klar, dass sie nicht nur in Köln operiert haben, sondern auch in andere Städte gefahren sind und sich dort mit Freunden getroffen haben. Die Mucki Koch ist ja zum Beispiel auch nach Düsseldorf gegangen. Sie gehört zu der Minderheit derer, die sich auch direkt politisch betätigt haben. Die waren dann in Köln schnell uner Beobachtung und so kam es, dass die Kölner in Düsseldorf Aktionen gemacht haben und die Düsseldorfer in Köln oder Wuppertal.

Wie wird hier euer Festival angenommen? Wer geht hin? Und wie viele?

Das Besondere und Schöne am Kölner Festival ist, dass es eben in einem öffentlichen Park stattfindet, der jedem offen steht. Eintritt nehmen wir nicht, wir bekommen einen Zuschuss von der Stadt. Die Besucher kann man eigentlich gar nicht eingrenzen. Das geht quer durch die Gesellschaft, von Eltern mit Säuglingen bis zu Senioren im Rollstuhl. Die Bands haben auf jeden Fall einen jugendlichen Schwerpunkt. Es gibt ja auch wieder mehr Jugendliche, die gerne mit ’ner Klampfe Musik machen.

Inwieweit sind Jugendliche heute überhaupt noch bereit, Widerstand zu leisten?

Die eine Sache ist die: Die Edelweißpiraten haben sich ja nicht getroffen, um Widerstand zu leisten, sondern um ihre eigene Kultur zu leben und sich nicht anzupassen. Sie sind raus gegangen, haben einfach Ausflüge gemacht und mit der Klampfe gesungen. Sie haben sich aus dem „Mainstream“ ausgeklinkt. Das ist auch heute ein Trend. Da gibt es die alternative, die Independent Szene. Die Edelweißpiraten waren dann aber auch so konsequent, ihre Meinung gegen die grausame Bedrohung durchzuhalten. Das ist etwas, was man mit heute nicht vergleichen kann. Aber ich denke, Jugend hat immer ein Bedürfnis sich abzusetzen und Dinge in Frage zu stellen. Und das geschieht auch heute. Nur muss man heute aufpassen, dass man nicht in die nächste Falle tritt: Jede Subkultur hat sofort wieder ihr Modelabel oder ihre Website. Auf jeden Fall bilden die Edelweißpiraten eine gute Vorlage, um zu sehen, dass man bei sich selbst bleibt und sich nicht von irgendeiner Massenbewegung umdrehen lässt.


Jan Krauthäuser ist Mitbegründer des Edelweißpiratenclubs e.V., der auch das Edelweißpiratenfestival in Köln organisiert. Eigentlich ist er Grafikdesigner und Musikjournalist und manchmal auch Konzertveranstalter. – Die Fragen stellte Lisa Klinkhammer.