„Die Burschen in der Eifel warteten jedesmal auf neue Lieder“
Der Düsseldorfer Edelweißpirat Jupp Geisen erinnert sich
„Ich bin von Kaifenheim in der Eifel. Das ist ein armes Land gewesen, da bekam man als 14-Jähriger keine Lehrstelle. Durch Vermittlung der Kirche konnte ich aber in Düsseldorf bei der Firma Schiess eine Lehre als Universaldreher beginnen. Gewohnt habe ich im katholischen Lehrlingsheim. Wir waren etwa 180 bis 200 Lehrlinge im Heim.
Mein Vater und meine Mutter waren gut katholisch und wollten vom Hitler nichts wissen. Das hat mich geprägt, und so lernte ich bei der Firma Schiess einen ungefähr fünf Jahre älteren jungen Mann kennen, der war bei den Edelweißpiraten – oder wie wir abkürzten: bei den „EP“. Ich habe Interesse daran gefunden und bin mit zu denen in die Clique gegangen. Wir haben uns im Heim getroffen, im Volksgarten, am Benrather Bahnhof und am Rhein. Wenn wir zusammen waren, haben wir ein Bierchen getrunken, wenn wir’s uns leisten konnten, und da waren welche dabei, die konnten sich das leisten, und die anderen profitierten mit davon. Dann wurde darüber gesprochen, dass wir von der HJ verfolgt würden – wir sollten also gegenüber keinem, den wir nicht hundertprozentig kennen würden, breittreten, dass wir bei den „EP“ wären.
Bei unseren Zusammenkünften haben wir gesungen. Da war zum Beispiel ein Lied, wer das gedichtet hat, weiß kein Mensch, das ging so: „In Junkers Kneipe, bei Bier und Pfeife, da saßen wir beisamm’. Ein kühler Tropfen vom besten Hopfen, der Teufel hielt die Wacht. Ja wo die Walzrevolver blitzen und die Hitlerjungens flitzen und die Edelweißpiraten greifen ein, was kann das Leben uns Schöneres geben, wir wollen Piraten sein!“ Die letzte Strophe war dann: „Es ist sehr spät schon, der Junker schläft schon, das Bier wird langsam schal. Bevor wie gehen, zum Schlaf uns legen, sing’n wir das Lied nochmal: Ja wo die Walzrevolver blitzen und die Hitlerjungens flitzen und die Edelweißpiraten greifen ein ...“
Später wurde das Lehrlingsheim vom Hitler aufgelöst. Die Pater und die Brüder haben uns alle privat untergebracht. Ich kam zu einer Familie in Düsseldorf-Reisholz. Wenn ich dann ungefähr dreimal im Jahr nach Kaifenheim nach Hause fuhr, haben da die Burschen immer schon darauf gewartet, dass ich ein neues Lied von den „EP“ mitbrachte.
Wir sind nie aufgegriffen worden, haben uns immer so verhalten, dass die das gar nicht bemerkten. Wenn wir natürlich so einen einzelnen echten Hitler getroffen haben, dann haben wir den natürlich am Hals gehoben. Von denen ließen wir uns nichts sagen.
So ging das weiter, bis ich einberufen wurde. Da hat mein Vater zu mir gesagt: Melde dich bei der Marine, das geht die Ausbildung länger, vielleicht ist dann der Krieg vorbei! So hab ich das dann auch gemacht.
Auszug aus einem Video-Interview, statt-museum 2000, von dem sich eine Kopie in der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf befindet. Das zitierte Lied stammt im Original aus der Bündischen Jugend. Unter den Edelweißpiraten kursierten auch Umdichtungen wie „Ja wenn die Fahrtenmesser blitzen und die Hitlerjungens flitzen ...“.
„Ja wo die Walzrevolver blitzen und die Hitlerjungens flitzen und die Edelweißpiraten greifen ein ...“